Feature: Interview mit Anna Frey
(Unbeauftragte Werbung.)
Im Rahmen unseres Blogposts zum Thema DIY-Bücher für Kreative und Selbermacher haben wir euch das Buch „Bücher binden“ von Anna Frey bereits kurz vorgestellt. In unserem Onlineshop findet ihr dieses tolle Buch für Selbermacher übrigens auch. Wir haben das Buch auch selbst daheim und schmökern immer wieder gerne darin. Anna Frey ist vielen von euch bestimmt bereits unter „Workshops von Frey“ bekannt. Unter diesem Namen bietet sie nämlich bereits seit längerem tolle DIY-Workshops rund ums Thema Buchbinden an. Diesen Herbst werden wir mit Anna Frey erstmals einen gemeinsamen Workshop bei uns im we love handmade STUDIO hosten und freuen uns schon riesig darauf. Einen Abend lang widmen wir uns der koptischen Bindung und der Gestaltung von Coverpapieren. Außerdem ist seit Kurzem auch ihr Buch „Bücher binden“ bei uns im Shop erhältlich. In unserem Interview erzählt Anna von ihrem Werdegang und ihrer Liebe zum Bücherbinden!
Wer steckt hinter der dem Label „Workshops von Frey“ und wie hat alles begonnen?
Mit meinem Label „Workshops von Frey“ biete ich, Anna Frey, Workshops und liebevoll gestaltete Schritt-für-Schritt Anleitungen rund um das Thema Buchbinden an. Begonnen hat alles während meines Studiums an der NDU (New Design University), bei dem ich mich durch ein Gastsemester Buchgestaltung intensiver mit dem Handwerk Buchbinden auseinander gesetzt und darin meine zweite Leidenschaft entdeckt habe. Für meine Abschluss-Arbeit habe ich dann ein umfassendes Konzept und Branding für ein fiktives Buchbinde-Label – die Buchmanufaktur – geschaffen. Ich war mir immer sicher, dass das Konzept funktionieren würde und habe 2018 beschlossen alles aus der Schublade zu holen und mit neuem Namen in die Realität umzusetzen. Seitdem arbeite ich als Workshop-Leiterin und Grafikerin. Ich hatte bisher immer wahnsinnig tolle KooperationspartnerInnen und und schätze mich sehr glücklich, dass mein Traum von meinem kleinen Buchbinde-Label wahr geworden ist.
Du bist ausgebildete Grafikerin, wie kam es zu deiner Leidenschaft zum Handwerk Buchbinden?
Ich habe schon als Kind schöne Bücher wahnsinnig geliebt und sehr gerne und viel gelesen. Heute fehlt mir leider oft die Zeit dazu, aber ich liebe und schätze schön gestaltete Bücher mehr denn je. Als Grafikerin muss mich ein Buch nicht nur inhaltlich interessieren, sondern auch optisch und haptisch ansprechen. Ich kann also kaum an einem schön gestalteten Buch vorbeigehen, ohne zu schauen wie sich das Cover und das Papier anfühlt, wie es gedruckt und gebunden ist und welche Besonderheiten es hat.
Meine Leidenschaft für die Buchbinderei habe ich während meines Studiums an der NDU entdeckt. Dort hatte ich 2014 die Möglichkeit ein Gastsemester Buchgestaltung bei Gabriele Lenz zu belegen. Im Rahmen dieses Semesters habe ich mein erstes selbst gestaltetes und professionell gebundenes Buchprojekt umgesetzt. Das inhaltliche Thema sollte dabei das Werk einer BuchgestalterIn meiner Wahl sein. Ich habe mich für die weibliche Ikone der modernen Buchgestaltung – die Niederländerin Irma Boom – entschieden. Ein wahnsinnig spannende Frau, die bereits über 265 Bücher (Stand 2014) gestaltet hat. Der (handwerkliche) Anspruch an mein Projekt „Definitions of a Book“ war wahnsinnig hoch. Das Konzept war, ein kleines Buch innerhalb eines großen Buchs zu binden, in dem sich allerdings der innere und der äußere Teil unabhängig voneinander blättern lassen. Da mein Buch von der technischen Umsetzung sehr schwierig war, habe ich begonnen mich mehr mit dem Handwerk auseinanderzusetzen und darin entdeckt wie ich meine zwei Leidenschaften – gute Gestaltung und schöne, hochwertige Bücher – miteinander verbinden kann.
Was war dein erstes selbst gebundenes Projekt und wann?
Meinen allerersten Buchkern habe 2012, im ersten Jahr an der Uni, bei der wunderbaren Charlotte Karner gebunden. Als Grafikdesign-Studentin ist es tatsächlich ziemlich wichtig zumindest grundlegende Buchbinde-Skills zu haben, damit man für Präsentationen sogenannte „Dummys“, also herzeigbare Prototypen, von Semesterprojekten anfertigen kann. Gedruckte und gebundene Einzelstücke von Projekten sind sonst vergleichsweise sehr teuer und man hat weniger Freiheiten und Spielräume im Bezug auf Materialien, Bindungen und konzeptuelle Freiheit. Charlotte ist eine Meisterin auf diesem Gebiet und ich wie vor eine Art Mentorin und Vorbild für mich.
Wie kamst du dazu zu diesem Thema Workshops anzubieten?
Zum Abschluss des Gastsemesters Buchgestaltung hatten wir eine Präsentation unserer Arbeiten im Stift Klosterneuburg, zu der auch einige FreundInnen gekommen sind. Alle waren total begeistert und haben gesagt wie schön die Projekte geworden sind und dass sie auch gerne Buchbinden lernen würden. Das war damals 2014, also kurz vor meinem letzten Jahr in dem wir uns schon Gedanken über unsere praktische Bachelor-Arbeit machen mussten. Ich habe dann begonnen zu recherchieren was es so in Richtung Buchbinden lernen auf dem Markt gibt und erstaunt festgestellt, dass es eigentlich keine wirklich gut erklärten und vor allem schön gestalteten Bücher und Anleitungen zu dem Thema gibt. Also habe ich beschlossen für meine Bachelorarbeit ein komplettes Branding, sowie Anleitungen, ein Buch und DIY-Kits für ein fiktives Label zum Thema Buchbinden zu machen. Nach der Uni habe ich dann gemeinsam mit einer Freundin eine Zeit lang für FreundInnen und Bekannte Workshops gegeben. Das hat wirklich super gut funktioniert, aber ich habe mich damals noch nicht in die Selbständigkeit getraut. Ich war mir aber immer sicher, dass mein fiktives Unternehmen real funktionieren würde.
Nachdem ich meinen Job beim Fleisch Verlag gekündigt habe und danach in der Gastro und in einer Werbeagentur gearbeitet habe, war die Entscheidung klar: jetzt oder nie. Wenn ich noch länger warte (besonders mit der Veröffentlichung meines Buchs) ist es zu spät – und das war scheinbar wirklich Schicksal. In der Papeterie sous-bois hat zu der Zeit eine liebe Freundin, Maria Hack, die Buchbinde Workshops geleitet. Zwei Wochen nachdem ich den Entschluss gefasst habe mich selbständig zu machen, habe ich erfahren dass sie wieder zurück nach Deutschland geht und Chloé (Anm. die Besitzerin vom sous-bois) nach einer NachfolgerIn für die Workshops sucht. Chloé und ich kannten uns schon und es war eigentlich sofort klar, dass ich die Workshops bei ihr weiter führen werde. Und so hat alles begonnen. :)
Das schönste an der Kooperation mit Chloé ist, dass ich bei meinem Abschluss an der NDU tatsächlich ein Foto von ihrer Papeterie in der Präsentation hatte, um zu zeigen wie mein fiktiver Shop aussehen würde.
Es ist heute zwar nicht mein Shop, aber das Team des sous-bois ist für mich wie eine große Familie geworden und ich schätze die Zusammenarbeit mit Chloé und ihrem Mann Yusuf sehr. Bei Studio Seis habe ich zusätzlich mein eigenes Atelier gefunden und unterrichte seit letztem Herbst beim Foundation Course in St. Pölten. Dieses Wintersemester darf ich sogar an der Kunstuni Linz ein Semester planen – es läuft also bisher ganz gut!
Was macht dir am Wissenvermitteln am meisten Spaß?
Unsere Welt und unser Alltag wird immer schneller – und zunehmend digital. Wir Menschen sind aber sinnliche Wesen, wir wollen Dinge mit unseren Händen erschaffen, riechen und spüren wie sich ein Material anfühlt. Bei jedem meiner Workshops sagen die TeilnehmerInnen nach den ersten 30-40 Minuten wie meditativ und entspannend sie die wiederkehrenden Handgriffe und das Arbeiten mit den Händen empfinden. Und das obwohl die meisten Workshops um 18:30 Uhr, also nach einem vollen Arbeitstag, beginnen. Das freut mich immer total. Einen Ort zu schaffen an dem die TeilnehmerInnen entspannen können, gemeinsam gewerkt und geplaudert wird. Bei den Workshops kommen die unterschiedlichsten Leute zusammen – da treffen ArchitektInnen auf LehrerInnen, Studierende auf SeniorInnen und ich lerne jedes Mal spannende neue Menschen kennen.
Die größte Freude sind aber die überglücklichen und stolzen Gesichter der TeilnehmerInnen am Ende des Workshops, wenn sie mit ihr ganz persönliches, handgebundenen Buch in den Händen halten.
Bei all meinen bisherigen Workshop, gab es keine einzige Person die nicht mit ein bisschen Stolz auf ihr kleines Meisterwerk geblickt hat – denn Bücher werden in unserer Gesellschaft (immer noch) als etwas Wertvolles gesehen. Und ein selbstgebundenes Buch, das hat einen ganz besonderen Wert.
Worauf sollten Anfänger beim Buchbinden besonders achten?
Wie es so schön heißt: Übung macht den/die MeisterIn! Das wichtigste beim Buchbinden ist genaues und sauberes Arbeiten. Das – und auch die übrigen Techniken kann man lernen. Es braucht einfach etwas Zeit bis die Bindungen so richtig „sitzen“ und ein Buchkern schön sauber und fest gebunden wird. Ich erlebe aber auch immer wieder TeilnehmerInnen die ganz klar ein handwerkliches Talent haben, sich unglaublich leicht tun und sofort sehr sauber und genau arbeiten – ich selbst war definitiv eher von der ungenauen Sorte. Aber wie man sieht: mit etwas Übung und vor allem Geduld ist alles möglich.
Du hast dein Buch „Bücher binden“ mithilfe einer Crowdfunding Kampagne umgesetzt. Warum hast du diesen Weg gewählt anstatt es über einen Verlag herauszubringen?
Um ganz ehrlich zu sein: aus Zeitmangel. Natürlich wäre es toll gewesen einen Verlag dahinter zu haben, inklusive Beratung, professionellen Vertrieb und Marketing – den hatte ich nur nicht parat. Ich habe im Sommer 2018 relativ rasch beschlossen das Risiko einzugehen und mich mit den Workshops und dem Buch selbständig zu machen. Mir war klar dass meine Selbständigkeit mit der Veröffentlichung des Buches passend zur Vorweihnachtszeit starten muss, damit das ganze ein Erfolg wird. Daher musste alles sehr flott gehen. In knapp vier Monaten habe ich das Buch komplett überarbeitet, die Crowdfunding-Kampagne geplant, den Video-Dreh organisiert und die gesamte Kampagne betreut. Auch hier hat mich meine Intuition zum Glück nicht im Stich gelassen, die Kampagne war mit 150% finanziert und ich konnte 1000 Stück von „Bücher binden“ produzieren. Fast zwei Jahre später habe ich ohne professionellen Vertrieb fast 800 Bücher verkauft und bin derzeit auf der Suche nach einem Verlag bzw. einem Weg eine zweite Auflage finanzieren zu können.
Mittlerweile hast du deine Leidenschaft zum Beruf gemacht – wie sieht ein typischer Arbeitstag bei dir aus?
Meistens startet der Tag mit einer Mischung aus organisatorischen Dingen wie Mails schreiben, Workshop-Termine planen und den Onlineshop betreuen und aktualisieren. Je nachdem was an dem Tag sonst noch ansteht besorge ich Workshop-Materialien, probiere neue Bindungen aus, fotografiere und bereite den Workshop für den Abend vor. Auch Social Media ist heutzutage nicht mehr wegzudenken, auch wenn ich immer wieder Phasen habe wo es mich eine Woche lang gar nicht freut und ich recht sang- und klanglos online untertauche.
Uns verbindet die Liebe zu Papier. Mit welchen Papieren arbeitest du am liebsten?
Ich bin ein unglaublich großer Fan von ungestrichenen Naturpapieren. Die Auswahl ist ja riesig. Von Papieren wie Crush, wo natürliche Bestandteile wie Kaffee-, Oliven-, und Kirschreste eingearbeitet sind, bis hin zu Papier mit hohen Baumwolle oder sogar Lederanteilen. Ich liebe Papiere aus Japan, wie die siebgedruckten Chiyogami Papiere, oder auch die Satogami Papiere, die wir für die Workshops im sous-bois verwenden.
Dein Buch „Bücher binden“ ist deine Liebeserklärung an das Handwerk selbst. Hast du eine Lieblings-Bindungsart?
Ja – die Bindung mit der ich meine Workshops begonnen habe und die ich tatsächlich am meisten gemacht habe: die offene Langstichheftung. Sie eignet sich toll für AnfängerInnen und hat durch ihr Muster einfach immer das besondere Etwas.
Was möchtest du auf diesem Gebiet noch unbedingt lernen?
Ich bin ständig auf der Suche nach neuen Techniken, Inputs und Inspirationen. Als Buchbinde-Autodidaktin ohne professionelle Ausbildung taste ich mich an neue Techniken durch Literatur, Videos und simple Try and Error Versuche heran. Vor kurzem habe ich begonnen mehr über die Kunst des Papier Marmorierens zu lernen, aber auch handwerkliche Ausflüge wie zB. Makramee Knüpfen kommen bei mir vor. Ein großer Traum wäre es Kurse im „Centro del bel Libro“ in Ascona oder im „London Centre for Book Arts“ zu besuchen. Oder tatsächlich mal bei einem/einer BuchbinderIn für 1-2 Monate in die Lehre gehen zu dürfen.
Das Buch „Bücher binden“ kann direkt bei uns im Showroom gekauft werden und für den Workshop „Buchbinden – Koptische Bindung und Coverpapiergestaltung“ könnt ihr euch natürlich auch direkt bei uns anmelden. Alle Infos gibt’s im Workshop-Programm.
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Fotocredits: Bild 1+2: Anna Heuberger | Bild 3-6: Anna Frey